Es existieren einige prozessuale Besonderheiten, die es bei der Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen zu beachten gilt. Damit die Klage nicht unschlüssig, und in Folge dessen vom Gericht als unbegründet abzuweisen ist, muss der Versicherte ausreichend und substanziiert das Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen darlegen.
Eine der vielen Voraussetzungen ist das Eintreten der Invalidität innerhalb des ersten Jahres nach dem Unfallereignis. Diese 1 Jahres Frist ist kein leichtes Fristerfordernis, sondern zählt zu den materiellen Anspruchsvoraussetzungen. Insofern hat das Gericht von Amts wegen her zu prüfen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist.
Neben der Einhaltung der Frist bedarf es unter anderem einer weiteren fristgerechten schriftlichen Feststellung der Invalidität durch einen Arzt. Ohne eine solche Feststellung der Invalidität, die spätestens mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss, ist die Klage abzuweisen.
Nach neuem Recht kann die Klageabweisung sogar dann auf das Fehlen der ärztlichen Feststellung gestützt werden, wenn sich die Versicherung im Prozess gar nicht darauf berufen hat. In den Fällen, in denen im Einzelfall noch das alte VVG zur Anwendung kommt, kann es treuwidrig sein, wenn die Versicherung sich auf eine verspätete Erstellung des ärztlichen Bescheides über die Invalidität beruft.
Nach den gängigen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) ist die Erbringung der Invaliditätsleistung von verschiedenen formellen Voraussetzungen abhängig:
Zunächst muss die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein.
Darüber hinaus muss die Invalidität spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten, also innerhalb von 15 Monaten seit dem
Unfallereignis, schriftlich ärztlich festgestellt werden.
Binnen 15 Monaten nach dem Unfall muss die Invalidität auch beim Versicherer
geltend gemacht werden.
-> Manche Versicherungsbedingungen (AUB) sehen kürzere oder längere Fristen vor, daher gilt es, die AUB immer gut prüfen!
Dass eine Invalidität vorliegt, und dass diese gerade eine Folge des Unfallereignisses ist, muss der Versicherungsnehmer beweisen. Zudem trägt der Versicherte die Beweislast bezüglich des Invaliditätumfanges.
Für die Frage der Kausalität zwischen dem Unfall und der Gesundheitsschädigung (haftungsbegründende Kausalität) gilt § 286 der Zivilprozessordnung (ZPO). Dort geregelt ist der sogenannte Strengbeweis. Im Unterschied zur freien Beweiswürdigung sind die Parteien im Rahmen des Strengbeweises an die von der Zivilprozessordnung vorgeschriebenen Beweismittel, sowie an das förmliche Beweisverfahren gebunden. Das Gericht muss nach der Beibringung der zugelassenen Beweise überzeugt davon sein, dass für den Unfall als Ursache der Gesundheitsschädigung „ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit besteht, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen“.
Für die Kausalität zwischen der Gesundheitsschädigung und der eingetretenen Invalidität (haftungsausfüllende Kausalität) genügt es grundsätzlich, wenn für die Kausalität eine überwiegende, auf einer gesicherten Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit gegenüber anderen Geschehensabläufen spricht (§ 287 ZPO). Es muss also stets mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, dass die Invalidität gerade durch den Unfall verursacht wurde. Alleine die Tatsache, dass dieser Ursachenverlauf möglich erscheint, genügt nicht.
Problematisch sind die Konstellationen, in denen ein Unfallversicherter mehrere Unfälle hintereinander erleidet. Grundsätzlich sind die verschiedenen Unfälle in einem solchen Fall getrennt zu bewerten. Eine differenzierte Betrachtung ist jedoch nicht immer möglich. Beispielsweise dann, wenn ein zweiter Unfall auf einem Dauerschaden basiert, der durch einen ersten Unfall hervorgerufen wurde. Wenn jetzt der Zweitunfall auch eine (weitergehende) Invalidität hervorruft, muss es Regelungen geben, wie die verschiedenen Unfälle zu berücksichtigen sind, und welche Versicherung für den Versicherungsschutz verantwortlich ist. Denn häufig hat der Versicherte nach dem Erstunfall eine zweite Unfallversicherung bei einem anderen Anbieter abgeschlossen.
Für die nachfolgenden Konstellationen besteht Einigkeit über deren Handhabung:
Ereignet sich der zweite Unfall innerhalb der einjährigen Frist, in welcher dem ersten Unfall die Invalidität nachfolgen muss, kommt es zu einer Art
Gesamtbewertung der Folgen des Erstunfalles unter Berücksichtigung der Folgen des zweiten Unfalles. Ansprüche stehen dem Versicherten dann gegenüber dem Versicherer zu, der für den Zeitpunkt des
Erstunfalles den Versicherungsschutz gewährt hat.
Ereignet sich der Zweitunfall nach Ablauf der einjährigen Frist, so besteht eine Leistungspflicht derjenigen Versicherung, die zum Zeitpunkt des
Zweitunfalles den Versicherungsschutz gewährt hat. Eine Verantwortlichkeit der ersten Versicherung scheidet aus.
Eine Verschlimmerung der Unfallfolgen eines ersten Unfalles durch einen Zweitunfall kann nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie noch in dem Zeitraum geschieht, in dem eine Nachbemessung der Invalidität noch möglich ist.
Häufig wenden die Versicherungen im Prozess ein, dass anderweitige Umstände - beispielsweise anlagebedingte Gegebenheiten - auch mitursächlich für den eingetretenen Dauerschaden sein könnten.
Insoweit die Beschwerden erstmals nach dem Unfall aufgetreten sind, findet bezüglich dieser Umstände auch der Grundsatz der überwiegenden Wahrscheinlichkeit Anwendung. Es muss also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, dass die anderweitigen Umstände nicht für die Beschwerden ursächlich sind.
Nur, wenn die Versicherung beweisen kann, dass der Versicherte auch ohne den Unfall unter den Beschwerden leiden würde, muss die Frage nach der Kausalität verneint werden.
Über die Auswirkungen von Gesundheitsschäden, die schon vor dem Unfallereignis bestanden, gibt Ziffer 3 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen Auskunft. In manchen Fällen kann es hier zu einer Kürzung der Leistungen kommen.