Das OLG Frankfurt entschied Ende des Jahres 2018: Tritt eine Gesundheitsschädigung durch eine eigens ausgeführte Bewegung ein, so stellt dies einen Ausschlussgrund für das Vorliegen eines „Unfalls“ bei der privaten Unfallversicherung dar.
Der Kläger war seit 2006 bei einer privaten Unfallversicherung versichert. Seit 2011 erfolgte die Versicherung nach dem sogenannten „Stufenmodell“, welches eine Leistung von 30.000 Euro ab einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 % versicherte. Im September des Jahres 2016 erlitt der Kläger eine Brustwirbelfraktur. Diese Verletzung zog er sich zu, als er seinen 80 Kg schweren, unter einer Spastik leidenden Sohn vom Boden aufhob.
Den Angaben des Klägers nach, hatte dieser seinen Sohn von hinten unter den Armen und um die Brust gefasst, um ihm vom Boden auf zu helfen. Beim Hebevorgang habe der Sohn plötzliche Bewegungen ausgeführt, aufgrund derer er in den Armen des Klägers wieder nach unten gerutscht sei. Um seinen Sohn wieder aufzurichten habe der Kläger ruckartig nachgefasst. Bei diesem Nachfassen sei die Fraktur der Brustwirbelsäule eingetreten.
Der Kläger wurde im Folgenden im Universitätsklinikum Gießen operiert. An zwei Segmenten der Brustwirbelsäule setzten die Ärzte Schrauben ein. Trotz der Nachbehandlungen verblieb beim Kläger ein Dauerschaden.
Nachdem der Kläger der beklagten Versicherung den Vorfall gemeldet hatte, bestritt diese ihre Eintrittspflicht.
Der Kläger klagte zunächst vor dem Landgericht auf Zahlung einer Unfallrente, sowie einer Invaliditätsgrundsumme. Im Folgenden beschränkte er seinen Antrag jedoch auf die Erstattung einer Teilsumme bezüglich der Invalidität und auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Zwischen den Parteien war streitig, ob der geschilderte Vorgang den Unfallbegriff erfülle. Das OLG Frankfurt verneinte dies in seinem Urteil vom September 2018. Nach der einschlägigen Klausel der allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen liegt ein Unfall vor, „wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.“ Unfall sei daher nur jedes Geschehen, das als vom Versicherten nicht beherrschbar und für ihn damit unfreiwillig anzusehen ist. Ein Unfall könne auch dann schon vorliegen, wenn eine eigentlich vom Willen des Versicherten getragene Eigenbewegung im späteren Verlauf unter Einfluss von außen für ihn unbeherrschbar wird. Im vorliegenden Fall sei das Nachfassen des Klägers jedoch eine reine, von ihm beherrschbare und bewusst ausgeführte Bewegung gewesen. Ein „Unfall“ sei deshalb zu verneinen. Die Leistungspflicht der Versicherung bestehe nicht.
Auch aus dem erweiterten Unfallbegriff der allgemeinen Versicherungsbedingungen ließe sich eine Pflicht der Versicherung zur Kostenübernahme nicht herleiten. Nur bei einer Invalidität, die aus der Verrenkung eines Gelenks oder aus der Zerrung von Muskeln folge, müsse die Versicherung Leistungen erbringen. Beides sei vorliegend gerade nicht der Fall.
Schließlich schloss das OLG Frankfurt auch eine analoge Anwendung einer Vorschrift aus den allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen aus. Die in einer Klausel aufgeführte Liste an Erweiterungsfällen, bei denen eine Leistungspflicht der Versicherung auch ohne „Unfall“ bestehe, sei als abschließend anzusehen. Die Versicherung wolle sich mit Klauseln dieser Art bewusst auf die aufgeführten Erweiterungsfälle beschränken, um ihr Risiko gering zu halten. Es fehle deshalb bereits an einer „Regelungslücke“, die für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf nicht aufgelistete Fälle erforderlich wäre.
Nach: BeckRS 2018, 30970; beck online.
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